Hinsichtlich politischer Arbeit dürfte wohl so bei ziemlich jedem Bürger die Auffassung herrschen, das vom Volk gewählte Vertreter die Interessen der Wähler in bestmöglicher Art und Weise vertreten. Das sollte gerade in jenen Situationen so sein, in welchen seitens der Politik entsprechende „Erwartungen“ hinsichtlich der Unterstützungsbereitschaft politischer Vorhaben durch den Bürger gestellt werden. Aktuelles Beispiel? Das Thema „nachhaltige Geldanlagen“.
So sollen Bürger in Zukunft ihr Kapital nur noch in Branchen und Unternehmen investieren, die den Nachhaltigkeitskriterien, als Taxonomie bezeichnet, entsprechen. Das Ziel? Durch entsprechende Investitionen privater Anleger sollen diese so einen erheblichen Beitrag zur Erreichung der EU-weiten Klimaziele leisten.
Um das Vertrauen der Anleger in diese Taxonomie zu erlangen und dabei der Bedeutung eines Wandels hin zu mehr Nachhaltigkeit einen erheblichen Schub zu verschaffen, sollte die Politik jedoch bei der Feststellung dessen, was als nachhaltig gilt und was nicht, etwaige Kritiken und Vorbehalte ernst nehmen. Und einen wesentlichen Kritik- und Streitpunkt stellen Atom- und Gaskraftwerke dar. Denn diese gelten nun unter bestimmten Auflagen als klimafreundlich, also im weitesten Sinne als nachhaltig.
Denn trotz massiver Kritik hat die EU-Kommission nun entschieden, das Gas- und Atomkraftwerke als nachhaltig gelten können, sofern sie denn bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dabei galten gerade Atomkraftwerke als eine jener Energiequellen, die unbedingt abgeschafft werden müssen, wenn der Wandel hin zu erneuerbaren und umweltfreundlichen Energien stattfinden soll. Nun also die Kehrtwende? Und was denken insbesondere die deutschen Bürger und potenziellen Anleger zu diesem Thema?
Diese Frage beantwortet nun eine aktuelle Studie und sie offenbart, dass die Belange und Interessen der Bürger zu diesem Thema offenbar nicht wirklich zu interessieren scheint – zumindest mal nicht die Volksvertreter in Brüssel.
Das Gros der Bürger sieht Gas- und Atomkraftwerke nicht als nachhaltig an
So kommt die Studie, die von dem Marktforschungsinstitut Inno Fact durchgeführt wurde, zu dem Schluss, dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland dagegen ist, Investitionen in neue Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich einzustufen.
So sind rund der 36 % der etwas über 1.000 im Rahmen der Studie befragten Bürger grundsätzlich dagegen, dass nachhaltige Geldanlage-Produkte Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke beinhalten. Dies widerspräche nach Ihrer Ansicht dem grundsätzlichen Anspruch eines als nachhaltig deklarierten Anlageproduktes.
Für rund 19 Prozent der befragten Bürger wären zumindest Investitionen in neue Gaskraftwerke noch akzeptierbar, jedoch keinesfalls in Atomkraftwerke. Selbst dann nicht, wenn hier vermeintlich „umweltfreundlichere“ Technologien zum Einsatz kämen.
Das zeigt sich bei der Nachfrage, wie viele Anleger sich ein Investment in ein nachhaltiges Anlageprodukt vorstellen können, wenn klar sei, dass dieses Kapital dann auch Atomkraftwerksbetreibern zukäme? Lediglich 9 % der Befragten würden sich in dem Fall für ein als nachhaltig deklariertes Anlageprodukt entscheiden.
Fakt ist also, dass das Gros der Anleger die Entscheidung der EU-Kommission Gas und Atomkraft als nachhaltig einzustufen, abgelehnt wird. Denn nur rund jeder Fünfte (21 Prozent) der rund 1000 Befragten fände es richtig, wenn nachhaltige Geldanlageprodukte in Gas- und Atomkraft investieren dürften.
Grundsätzlich wünschen sich rund drei von vier Befragten (knapp 75 Prozent) ein staatliches Gütesiegel, an dem Anleger erkennen, dass ein Finanzprodukt verbindliche Mindeststandards im Bereich Nachhaltigkeit erfüllt.
Die Idee der Taxonomie „verwässert“
Was bleibt also als Erkenntnis? Grundsätzlich ist die Idee der Taxonomie, verbindliche Kriterien für klimafreundliches und nachhaltigen Wirtschaften zu definieren, richtig. Doch die Frage, die mittlerweile gestellt werden darf, ist jene welchen Interessen mit dieser Taxonomie entsprochen wird? Mit der aktuellen Entscheidung der EU-Kommission, Gas und Atomkraftwerke unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltig einzustufen, wird der Eindruck erweckt, das die Lobby der Bürger, mit deren Geld der Weg zu mehr Nachhaltigkeit beziehungsweise dem Erreichen der Klimaziele beschritten werden soll, deutlich weniger politische Aufmerksamkeit erfährt als jene der Energie-Industrie.
Zumindest steht aber mal fest, dass die EU-Kommission mit ihrer Entscheidung dem Image nachhaltiger Gelanlagen vorerst mal ein (negative) Bärendienst erwiesen hat. Bleibt abzuwarten, wie die zahlreichen Fondsanbieter auf diese Entscheidung reagieren.
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.