Es ist schon etwas verwunderlich: Auf der einen Seite wünschen sich die Verbraucher in allen Lebensbereichen mehr Nachhaltigkeit – beispielsweise im Bereich der Konsumgüter, der Energie-Nutzung etc. – auf der anderen Seite, und das gilt vor allem beim Thema nachhaltige Geldanlage, genießt die Sicherheit eindeutige Priorität. Bei ihrer konkreten Entscheidung bevorzugen Anleger aber oft Sicherheit statt Nachhaltigkeit. Zu dem Ergebnis kommt zumindest das Deutsche Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) im Rahmen einer aktuellen Umfrage.
Ein Ergebnis, mit dem man eigentlich nicht rechnen konnte, wenn man die Entwicklung der Kapitalzuflüsse in nachhaltige Geldanlage-Angebote betrachtet als auch der Anzahl entsprechender Anlage-Produkte. Vor allem seitdem Banken, Versicherungskonzerne, Fondsanbieter und Vermögensverwalter bei ihren Anlageprodukten verstärkt auf eine nachhaltige Ausrichtung nach ESG (Environment, Social und Governance) achten.
Geldanlage: ESG Fonds verzeichnen stetig steigende Kapitalzufüsse
Und diese ESG konformen Anlage-Angebote stoßen nunmehr seit mehreren Jahren bei potenziellen Anlegern auf ein stetig steigendes Interesse. Was sich mit entsprechenden Zahlen beim Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) durchaus belegen lässt. Denn laut dem BVI betrug das, in nachhaltige Fonds angelegte Kapital Mitte 2021 stattliche 361 Milliarden Euro. Legt man diese Zahl an Anlegergeldern auf die Anzahl der Bundesbürger um, so hat rein rechnerisch jeder deutsche Bundesbürger rund 4.500 € direkt oder aber indirekt in entsprechend nachhaltige Anlageprodukte investiert.
So ergibt sich beim Blick auf die im deutschen Markt aktiven Anbieter von Fonds bei der Neukunden-Gewinnung ein deutliches Bild. So geben Unternehmen wie Union Investment und andere Fondsanbieter an, dass die Nachfrage an nachhaltige Fonds im Jahr 2021 massiv angestiegen ist. So besteht allein bei der Union Investment jedes zweite Neugeschäft aus dem Verkauf eines nachhaltigen Kapitalanlage-Angebotes. Laut Aussage der Union Investment, deren Anlage-Produkte vorrangig über die Volks- und Raiffeisen Banken vertrieben werden, haben sich so die nachhaltigen Assets im Privatkundengeschäft auf 19,8 Milliarden Euro innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt.
Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Blick auf den europäischen Anlegermarkt. So stellt die renommierte Beratungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers (Pwc) fest, dass mittlerweile rund ein Drittel des Fondsvermögens in Europa als nachhaltig im Sinne der Artikel 8 beziehungsweise 9 der Offenlegungsverordnung SFDR gilt. Zudem stellt Pwc im Einklang mit Morningstar fest, dass allein von Januar 2021 bis Ende Juni 2021 rund 18 Prozent des Neukundengeschäfts in Nachhaltigkeitsfonds flossen. Tendenz stark steigend.
Nachfrage nach nachhaltigen Geldanlagen steigt dank starker Medienpräsenz
Und diese Anstiege kommen nicht ungefähr, sondern haben ihren Ursprung vor allem in der stark erhöhten Medienpräsenz über die letzten 2-3 Jahre. Sei es in Form von Berichten über die FridaysforFuture Bewegung, der generellen Diskussion über Klima- und Umweltschutzthemen als auch den durchaus hitzig geführten Debatten rund um die EU-Taxonomie. Schlussfolgerung? Nachhaltigkeit ist als wesentlicher Bestandteil einer Investmententscheidung bei potenziellen Anlegern angekommen. Oder? Leider nicht an vorderster Stelle, denn es zeigt sich im Rahmen der eingangs erwähnten Marktbefragung, dass nach wie vor ein anderer Punkt eine deutliche höhere Priorität beim Thema „Geldanlage – ja oder nein?“ genießt, und zwar jene der Sicherheit.
Studie belegt: Anlagesicherheit steht weit vor Nachhaltigkeit bei Anlageentscheidungen
In Zahlen ausgedrückt: Laut den Umfragen steht bei der Entscheidung Geld anlegen zu wollen das Thema Sicherheit mit 40 % Prozent deutlich an erster Stelle. Gefolgt von dem Thema Rendite und Rentabilität mit 27 % als auch Liquidität mit knapp 18 %. Womit das Thema Nachhaltigkeit mit lediglich 15 % das Schlusslicht bildet. Schlussfolgerung also dahingehend, dass sich Nachhaltigkeit nicht mit Anlagesicherheit kombinieren lässt? An dieser Stelle zeigt sich wiederum ein interessantes Bild, denn 38,5 Prozent der Befragten sind wiederum überzeugt, dass nachhaltige Geldanlagen risikoärmer sind als Anlagen ohne Nachhaltigkeitsfokus. Und 40 Prozent glauben, dass entsprechende Produkte langfristig eine höhere Rendite erwirtschaften.
Bei diesen Ergebnissen darf man sich die berechtigte Frage stellen, was der deutsche Anleger eigentlich erwartet, wenn auf der einen Seite der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit besteht, diese aber als entscheidendes Merkmal bei Anlageentscheidungen weit hinter dem Aspekt Sicherheit rangiert und man dann aber auf der anderen Seite davon überzeugt ist, dass nachhaltig Geldanlagen risikoärmer sind. Da versteh einer den deutschen Anleger.
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.