Wer hätte nach Jahren der Abrüstung, dem aufatmen der Welt nach dem Fall der Mauer und dem Ende des sogenannten „Kalten Krieges“ gedacht, dass wir jemals wieder so brutale, mit massiver Waffengewalt ausgeführte Konflikte sehen wie im Irak, in Syrien und nun in der Ukraine? Letzter Konflikt sogar weniger als 1000 Kilometer von den deutschen Grenzen entfernt. Mit einer Kriegspartei, die, aus waffentechnischer Sicht das Potenzial hat, die ganze Welt zu vernichten.
Nun ist es sicherlich so, dass in solch einer Situation das vorrangige Interesse der schnellstmöglichen Beendigung dieses unbarmherzigen Konflikts gelten muss. Gewisse Themen geraten so in den Hintergrund, dürfen jedoch nicht ganz in Vergessenheit geraten, denn auch sie stellen nach wie vor eine Aufgabe dar, derer sich die Menschen widmen müssen. Und sie werden wieder in den Vordergrund treten, wenn es denn tatsächlich gelingen sollte, diesen Ukraine Konflikt „friedlich“ zu beenden und die Situation politisch zu stabilisieren.
Stichwort: Geldanlagen und vor allem nachhaltige Investments.
Neuer Anleger-Fokus: die Waffen-Industrie
Schaut man sich die Börsen dieser Welt an, so fällt vor allem eins auf: Der Krieg zeigt seine Fratze, denn die Unternehmen, die mit ihrer Produktion von Waffen und jeglicher Art von militärischer Ausrüstung den Krieg „ermöglichen“ sind derzeit die großen Gewinner an der Börse und bescheren Ihren Anlegern enorme Gewinne.
Um es an entsprechenden Beispielen festzumachen: Lag der Kurs des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall Ende Februar noch bei 95 € je Anteil, hat sich dieser Wert innerhalb von weniger als 4 Wochen mehr als verdoppelt (Kurs Stand: 25: März 2022 = 199,50 €
Ähnliches Bild bei dem britischen Rüstungskonzern BAE Systems: Lag deren Kurs Ende Februar noch bei 522 britischen Pfund, so liegt der Wert eines Anteils nun bei rund 750 britischen Pfund.
Und dann noch die Nachricht, dass die bundesdeutsche Regierung stattliche 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung der Bundeswehr investieren will. Was, wenn auch mit anderen Summen, auch für die europäischen Nachbarn gilt. Rosige Zeiten für die Rüstungsindustrie und riesige Gewinnchancen für Anleger!?
Zumal nun aufgrund der fatalen Abhängigkeit von russischem Öl und Gas, das moralisch betrachtet nun niemand mehr haben will, selbst die Aktien konventioneller Energieversorger so etwas wie eine Art Renaissance erleben. Die russischen Unternehmen hiervon ausgenommen, da sie sanktioniert sind.
Und zu guter Letzt: Selbst die Aktien von bis dato eher geächteten Bergbaukonzernen und Erdölförderern legen seit Wochen aufgrund stark steigender Rohstoffpreise eine Performance bei den Aktienkursen hin, die seinesgleichen sucht.
Ob solche Gewinne innerhalb solch einer kurzen Zeit, die wir alle im Grunde nur bei den Krypto-Währungen kannten, als auch mittel- bis langfristigen Gewinn-Aussichten nun noch jemand in nachhaltige Geldanlagen investiert? Hat der Ukraine Krieg den Trend hin zu nachhaltigen Geldanlagen beendet?
Nachhaltige Investments geraten ins Hintertreffen
Noch vor wenigen Wochen drehte sich alles um ESG und Co.: Kann Atomkraft grün sein? Gaskraftwerke nachhaltig? Und so weiter…. Wer an dem Trend teilhaben wollte, musste auf den ESG Zug aufspringen. Darin waren sich fast alle Branchenvertreter einig.
So titulierte KPMG eine ihre Studien wie folgt: „Vom Trend zur Notwendigkeit“ und machten damit deutlich, dass die Welt an eben jenem ESG nicht mehr vorbeikommt. Auch die Investment-Experten des Bankhauses Metzler kamen zu dem Schluss, dass es in Zukunft nicht mehr ohne ESG gehen wird. Stopp unmöglich! Und doch scheint ein Stopp möglich, denn all diese Feststellung von Experten überall auf der Welt ist seit nunmehr 3 Wochen Schnee von gestern, hinfällig.
Was jetzt zählt ist nicht ESG oder so etwas wie Klimawandel, Diversität und Nachhaltigkeit. Nein – was nun zählt sind Waffen, Waffen und nochmals Waffen … und eben auch Benzin, denn irgendwie müssen Panzer, Flugzeuge und Transport-Fahrzeuge ja betrieben werden. E-Panzer gibt es ja noch nicht.
Der Nachhaltigkeitsboom, der die Börsen zuletzt erreicht hatte, wird wohl zumindest auf eine harte Probe gestellt. Das Volumen nachhaltiger Fonds, die auf Basis der ESG-Kriterien das Geld ihrer Kunden anlegen, ist in den vergangenen zwei Jahren regelrecht explodiert. Rendite machen und dabei ein gutes Gewissen haben – das kam bis dato bei den Anlegern gut an. Und das hat die Branche für sich genutzt, was dazu führte, dass immer mehr nachhaltige Fonds aufgelegt wurden. Allein im Jahr 2021 erschienen mehr als 6000 neue ESG Fonds auf dem Markt.
Ist die „Nachhaltigkeits-Blase“ bei Geldanlagen geplatzt?
Manch ein Experte sprach schon von der „grünen Blase“. Auch wenn viele Fonds zwar weniger strenge Kriterien haben und sich damit beispielsweise in vielen nachhaltigen ETFs nach wie vor Aktien von Ölkonzernen befinden, hat eine Umschichtung stattgefunden. Neben „dreckigen“ Energieaktien, waren dabei ganz besonders Rüstungsaktien verpönt. Und während sich eine BP- oder Shell-Aktie über den Best-in-Class-Ansatz hier und da gerade noch in ESG-Fonds unterbringen ließ, gab es für viele Rüstungskonzerne wirklich keine Argumente. All das ist nun erstmal hinfällig. Die 180 Grad Kehrtwende ist bittere Realität.
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.