Die Nachhaltigkeit von Fonds ist in der Welt der Finanzen ein Thema von immer größerer Bedeutung. Immer mehr Fonds, ob aktiv gemanagt oder als passiver ETF, tragen nachhaltige Bezeichnungen und Kürzel in ihren Fondstiteln. Bestes Beispiel sind die zahlreichen ESG-gelabelten Fonds, die in den letzten 3 Jahren wie „Pilze“ aus dem Boden geschossen sind. Das gerade diese, nachhaltigen ESG gelabelten Fonds ihre Wirkung in den Markt nicht verfehlt haben, ist durch zahlreiche Marktanalysen belegt.
Fakt ist, dass europäische Anleger seit Jahren ein wachsendes Interesse daran zeigen, ihr Geld in grüne Anlagen zu investieren oder umzuschichten. Doch bei all der vordergründig positiven und begrüßenswerten Entwicklung ist das Ganze auch nicht ohne Schattenseiten. Denn die Kritik an jenen ESG-Papieren (Umwelt, Soziales, Governance) und anderen nachhaltigen Investitionen wird immer lauter.
Einige der Vorwürfe gegenüber diesen Papieren scheinen begründet zu sein. Sie gelten als teuer und erzielen möglicherweise nicht das gleiche Renditeniveau wie herkömmliche Fonds. Zudem besteht die Möglichkeit, dass sie immer noch in Unternehmen investieren, die zweifelhafte Umweltstandards haben, und somit eine Art „Greenwashing“ betreiben. Stellt sich hier also die Frage, wie berechtigt der „Ruf“ nachhaltiger Fonds eigentlich ist!
USA: Nachhaltige Fonds stehen unter massiver Kritik und verzeichnen Kapitalabflüsse
Besonders in den USA haben Bundesstaaten und Pensionskassen in letzter Zeit Milliarden aus ESG-Investitionen abgezogen. In 15 Bundesstaaten wird sogar aktiv gegen ESG vorgegangen. Ein bedeutender Vermögensverwalter, Vanguard, hat sich von der „Net Zero Asset Managers Initiative“ zurückgezogen, einer weltweiten Vereinigung von Finanzunternehmen, die das Ziel verfolgt, Netto-Null-Emissionen von Treibhausgasen zu erreichen. In Florida wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei öffentlichen Geldern und Anleihe-Emissionen verbietet. Der hieraus bereits hervorgegangene Image-Schaden für die nachhaltigen Fonds dürfte bei dem einen oder anderen Fondsanbieter bemerkbar sein.
Trotzdem sind nachhaltige Argumente weiterhin eine treibende Kraft: Weltweit sollen mittlerweile über 34 Billionen Euro in nachhaltigen Finanzanlagen investiert sein. Dabei handelt es sich nicht nur um Fonds, sondern auch um Green Bonds und ähnliche Anlagen.
Wie berechtigt ist die Kritik an ESG-Fonds?
Eine genaue Betrachtung der ESG-Branche zeigt jedoch, dass einige der Vorwürfe gerechtfertigt sind. Und das fängt bei einem grundsätzlichen Thema an – und zwar dem in der Investmentbranche so wichtigem Rating. Nicht das es dies für nachhaltige Fonds nicht gegen würde. Im Gegenteil, aber…..
Es gibt kein einheitliches Rating für den Begriff ESG, und es existieren keine klaren Maßstäbe zur Bewertung. Die Buchstaben ESG stehen für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (gute Unternehmensführung). Doch was drückt das genau aus?
Die Europäische Kommission hat in ihrer Taxonomie-Verordnung sechs Nachhaltigkeitsziele festgelegt, die konkrete Anforderungen an die Nachhaltigkeit definieren sollen. Dennoch gibt es nach wie vor unterschiedliche Interpretationen, und eine Harmonisierung der verschiedenen ESG-Standards ist nicht vorgesehen. Stattdessen wird es strengere Kontrollen der ESG-Ratings und umfassende Transparenzpflichten geben. Die Aspekte „Social“ und „Governance“ bleiben vorerst unklar und vage definiert.
Für Anleger, die in nachhaltige Fonds investieren möchten, bietet die Kennzeichnung der Papiere nach „Artikel 8“ oder „Artikel 9“ der „Sustainable Finance Disclosure Regulation“ (SFDR) der EU zumindest eine gewisse Orientierung. „Artikel 8“ steht für eine eher leicht grüne Nachhaltigkeit, bei der ökologische und/oder soziale Merkmale gefördert werden. Derzeit fallen etwa 30 bis 34 Prozent der Fonds in der EU in diese Kategorie. „Artikel 9“ steht für eine eher dunkelgrüne Nachhaltigkeit.
Fonds, die das „Artikel 9“-Label tragen, müssen nachweisen, dass sie die UN-Nachhaltigkeitsziele unterstützen, diese nicht verletzen und keine Unternehmen in ihrem Portfolio halten, die umstrittene Geschäftspraktiken in Bezug auf ESG zulassen, wie zum Beispiel ökologische Schäden oder arbeitsrechtliche Probleme. Etwa vier Prozent der Fonds erfüllen diese strengeren Kriterien. Alle anderen Papiere ohne spezifische Nachhaltigkeitsziele fallen unter „Artikel 6“.
Es herrscht jedoch keine Einigkeit darüber, was die genauen Anforderungen der EU im Einzelnen bedeuten. Die EU-Taxonomie-Verordnung hat zum Beispiel Kernkraftunternehmen als nachhaltig eingestuft, was zu einer laufenden Klage Österreichs vor dem Europäischen Gerichtshof geführt hat. Nach Vorwürfen des „Greenwashing“ haben Hunderte von Fonds im Jahr 2022 ihre Einstufung von „Artikel 9“ auf „Artikel 8“ herabgesetzt.
ESG – ein Segen fürs Fonds-Marketing?
Dennoch steht fest: ESG und Nachhaltigkeit sind Attribute, die häufig den Absatz fördern. Im vergangenen Jahr haben sich mehrere hundert, bereits existierende Fonds das ESG-Kürzel zugelegt. Gleichzeitig floss jeder sechste neu angelegte Euro in nachhaltige Fonds, so der Bundesverband Investment und Asset Management. Laut dem Marktbericht des Forum Nachhaltige Geldanlagen haben deutsche Privatanleger ihr in nachhaltigen Geldanlagen angelegtes Vermögen allein zwischen 2020 und 2021 auf 131 Milliarden Euro verdreifacht. Institutionelle Anleger erhöhten ihre Investitionen um 26 Prozent auf 232 Milliarden Euro. Was deutlich macht, welchen Wert ein ESG Label für die Fondsanbieter allein unter dem Marketing-Aspekt hat. Die vorgenannten Zahlen machen also mehr als deutlich, dass sich Kunden oftmals allein durch das ESG Label davon überzeugen lassen, in solch nachhaltige Fonds zu investieren. Und zwar ohne sich im Detail darüber im Klaren zu sein, was eigentlich exakt in dem erworbenen Fonds(anteil) „drin“ steckt.
Nachhaltige Fonds – Was bleibt als Fazit?
Dennoch: Es bleibt abzuwarten, ob dieser Trend anhalten wird, wenn die neuen Daten zu nachhaltigen Investitionen im Juli veröffentlicht werden. Es wird vermutet, dass vor allem in Fonds der Kategorie „Artikel 9“ investiert wurde, während viele Milliarden aus der Kategorie „Artikel 8“ abgezogen wurden. Insgesamt war das Jahr 2022 für die ESG-Branche wohl eines der schwierigsten Jahre seit langem.
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.