Das Nachhaltigkeitsranking deutscher Banken im Sinkflug: Nach sechs Jahren steigender ESG-Scores schlägt das „CSR-Spotlight 2025″ der Zielke Rating GmbH erstmals wieder in die Gegenrichtung aus. Von 110 untersuchten deutschen Kreditinstituten mit einer Bilanzsumme von jeweils über fünf Milliarden Euro und mindestens 500 Mitarbeitenden weist die Umweltdimension deutliche Einbußen auf. Die am 26. Juni 2025 veröffentlichte Studie zeigt erstmals seit Beginn der Untersuchungsreihe 2019 eine Verschlechterung der Gesamtbewertung.
Für nachhaltig orientierte Anleger ist das ein Alarmsignal: Die angekündigten Klimaziele müssen sich in belastbaren Kennzahlen widerspiegeln. Besonders problematisch ist der Rückgang im Umweltbereich, der hauptsächlich auf unzureichende Transparenz bei der Green Asset Ratio (GAR) zurückzuführen ist. Diese Entwicklung erfolgt ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, in dem die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) neue Maßstäbe für die Nachhaltigkeitsberichterstattung setzt.
Untersuchte Institute und erweiterte Methodik
Analysiert wurden 110 Banken verschiedener Kategorien – Privat-, Geschäfts-, Genossenschafts- und Sparkassenhäuser mit einer Bilanzsumme > 5 Mrd. € sowie mindestens 500 Beschäftigten. Die Gesamtbewertung gliedert sich in drei gleich gewichtete ESG-Dimensionen (je 33 %): Environment, Social und Governance. Basis sind die Nachhaltigkeitsberichte für 2023, die EU-Taxonomie, das GHG-Protokoll sowie qualitative Transparenzkriterien wie Verantwortlichkeitsverankerung und Vollständigkeit der Offenlegung.
Methodische Anpassungen 2025
Die Bewertungsmethodik wurde 2025 erheblich an neue regulatorische Anforderungen angepasst. Insbesondere die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) haben die Bewertungskriterien verschärft. Dr. Carsten Zielke, Geschäftsführer der Zielke Rating GmbH und EFRAG-Mitglied, erklärt: „Die Standards haben sich dramatisch erhöht. Was früher als ausreichend galt, reicht heute nicht mehr aus.“
Die Zielke Rating GmbH, mit Sitz in Kornelimünster bei Aachen, besteht aus einem zehn Mitarbeiter starken Team. Ihr Geschäftsführer Dr. Carsten Zielke bringt durch verschiedene Mandate bei der EFRAG (beratendes Organ in Berichtsfragen der Europäischen Kommission) und als Mitglied des Think Tanks Sustainable Finance des Deutschen Instituts für Normung (DIN) einzigartige regulatorische Expertise in die Bewertung ein.
Gesamt-ESG-Performance und Labels
14 Institute erhielten das Gold-Siegel, 43 Silber und 39 Bronze. Die Sparkasse Düren konnte sich das Label bereits zur werblichen Nutzung sichern. Ein Score unter 1,59 bedeutet: Mindeststandard verpasst. Die Verteilung zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Institutsgruppen.
Entwicklung nach Bankengruppen
Sparkassen und VR-Banken: Diese Institute konnten in den Bereichen Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) punktuell zulegen. Ihre traditionell starke regionale Verankerung und der Fokus auf KMU-Finanzierung wirken sich in diesen Dimensionen positiv aus.
Private und Geschäftsbanken: Hier zeigt sich ein besorgniserregender Trend – Rückgänge in allen drei ESG-Dimensionen. Die komplexeren Geschäftsmodelle und internationale Ausrichtung erschweren eine konsistente Nachhaltigkeitsberichterstattung. Besonders problematisch ist die unvollständige Umsetzung der GAR-Berichterstattung.
Environment-Dimension als zentrale Problemzone
Green Asset Ratio: Kernproblem der Transparenz
Im Schnitt sank der Environment-Score signifikant. Viele Institute veröffentlichen ihre Green Asset Ratio (GAR) nicht oder nur unvollständig – ein zentrales Messinstrument für Taxonomie konforme Finanzierungen. Diese Kennzahl ist seit 2024 verpflichtend zu berichten und misst den Anteil nachhaltiger Finanzierungen an der Gesamtbilanz.
- Aktuelle Marktdaten: Die ersten europaweiten GAR-Berichte zeigen ernüchternde Zahlen. Laut Accenture-Analyse vom März 2025 liegt die durchschnittliche Green Asset Ratio bei nur 2,06%, mit einem Höchstwert von 10%. Private Baufinanzierungen sind aktuell der wesentliche GAR-Treiber, gemeinsam mit allgemeinen Unternehmensfinanzierungen.
- Deutsche Besonderheiten: Während viele deutsche Banken ihre grünen Aktiva in Bezug zur gesamten Bilanzsumme setzen, rechnen andere europäische Banken bestimmte Posten wie Staatsanleihen aus dem Nenner heraus. Diese unterschiedlichen Berechnungsmethoden führen zu mangelnder Vergleichbarkeit.
Strukturelle Herausforderungen der GAR
Die GAR-Berechnung offenbart systematische Probleme. Kredite an kleinere Unternehmen, die selbst keiner ESG-Berichtspflicht unterliegen, fallen aus dem GAR-Zähler heraus, bleiben aber im Nenner. Dies benachteiligt systematisch KMU-fokussierte Banken, insbesondere Sparkassen und Genossenschaftsbanken.
Beispiel aus der Praxis: Windparks werden über Projektgesellschaften finanziert – das ist im gemeinsamen Interesse des Erbauers und der finanzierenden Bank. Wenn diese Projektgesellschaft aber kleiner ist und nicht berichtspflichtig, fällt die Finanzierung trotz ihrer eindeutig grünen Ausrichtung aus der GAR heraus.
Technische Umsetzungsprobleme
Banken stehen vor erheblichen technischen Hürden: Kredite, Leasing- oder Sekundäranlagen lassen sich nur mit enormem Aufwand auf ihre Taxonomie-Konformität prüfen, weil standardisierte Emissions- und Energieverbrauchsdaten der Kreditnehmer oft fehlen. Zur Berechnung der GAR benötigen Kreditinstitute relevante Taxonomie-Daten ihrer Kunden. Bisher gibt es jedoch keine vollständige Möglichkeit, diese für alle Unternehmen zu erheben und zu aggregieren.
KI-gestützte Lösungsansätze: Deutsche Finanzinstitute setzen zunehmend auf innovative Lösungen. Das TAXO TOOL wurde von Dydon AI in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) entwickelt, um die spezifischen Bedürfnisse europäischer Banken zu erfüllen. Algorithmen des maschinellen Lernens und der Verarbeitung natürlicher Sprache können die Analyse großer Datenmengen effizient unterstützen.
Leuchttürme und Negativbeispiele
Positive Entwicklungen
Helaba als Branchenvorreiter: Mit einem Environment-Score von 5,07 Punkten und einem nachhaltigen Finanzierungsbestand von über 80 Mrd. € zeigt die Landesbank Hessen-Thüringen, wie erfolgreiche Nachhaltigkeitstransformation aussehen kann. Das Institut hat früh in systematische Datenerhebung und -analyse investiert.
CSRD-Pioniere: Vorbildlich agieren die Hamburger Sparkasse (Haspa) und die Sparkasse Tübingen, die als erste Institute ihre Berichte bereits gemäß den neuen CSRD-Vorgaben für 2023 veröffentlicht haben. Diese proaktive Herangehensweise verschafft ihnen einen wichtigen Vorsprung bei der Regulatorik-Compliance.
Sparkasse Düren: Das Institut beeindruckt mit einer konsequent ethischen Kreditpolitik und ambitionierten CO₂-Reduktionszielen. Die Bank hat sich das CSR-Label bereits zur werblichen Nutzung gesichert und nutzt dies aktiv in der Kundenkommunikation.
Problematische Transparenzdefizite
Im krassen Gegensatz stehen Institute wie die Sparkasse Saarbrücken und die Frankfurter Volksbank eG, die für 2023 keinen eigenständigen Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt haben. In Zeiten wachsender regulatorischer Anforderungen stellt dies ein erhebliches Reputations- und Compliance-Risiko dar.
Diese Verweigerungshaltung wird sich spätestens mit der verpflichtenden CSRD-Berichterstattung rächen, da diese Institute dann ohne Vorerfahrung und etablierte Prozesse plötzlich umfangreiche Berichte erstellen müssen.
Expertenstimmen und Branchenbewertungen
Dr. Carsten Zielke: Regulatorische Perspektive
„Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Branche ihre ESG-Bemühungen nicht nur ausweiten, sondern auch systematisch dokumentieren und berichten muss“, analysiert Dr. Carsten Zielke. „Die neue CSRD-Verpflichtung ist dabei keine bürokratische Last, sondern eine Chance, Nachhaltigkeit zum Wettbewerbsfaktor zu machen.“
Als Mitglied verschiedener EFRAG-Mandate sieht Zielke die deutschen Banken in einer kritischen Phase: „Wir beobachten eine gefährliche Schere zwischen regulatorischen Anforderungen und praktischer Umsetzung. Institute, die jetzt nicht handeln, werden 2026 massive Probleme bekommen.“
Julia Dieckmann: Praktische Umsetzungsperspektive
„Mit der EU-Taxonomie haben wir in Europa ein wissenschaftsbasiertes Klassifikationssystem implementiert, das Kapitalströme in nachhaltige Aktivitäten lenken soll“, betont Julia Dieckmann, Head of Sustainable Finance Policy bei der Deutschen Bank. „Die Regulatorik hat viele positive Anreize gesetzt. Die Vorgaben müssen aber handhabbar und angemessen für Unternehmen bleiben.“
Die Deutsche Bank als eine der größten deutschen Banken zeigt exemplarisch die Herausforderungen auf: Das Institut veröffentlichte 2024 sein Sustainable Finance Instrument Framework, welches das bestehende Green Financing Framework um Kategorien sozialer Vermögenswerte erweitert. Im Juli emittierte die Bank ihre erste Sozialanleihe über 500 Millionen Euro, die 13-fach überzeichnet war.
CSRD-Umsetzung 2025: Zwischen Anspruch und Realität
Regulatorische Entwicklungen
Die CSRD trat am 5. Januar 2023 in Kraft, ist aber noch nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt. Mit der Änderungsrichtlinie 2025/794 schlägt die EU-Kommission vor, die Berichtspflichten der zweiten und dritten Welle um zwei Jahre zu verschieben. Künftig sollen nur noch große Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten berichtspflichtig sein – eine deutliche Entlastung für mittelgroße Institute.
Betroffenheit in Deutschland: Etwa 15.000 deutsche Unternehmen müssen sukzessive CSRD-konforme Nachhaltigkeitsberichte erstellen, darunter alle großen Kreditinstitute. Die BaFin prüft künftig die Nachhaltigkeitsberichterstattung als Teil des Lageberichts von kapitalmarktorientierten Unternehmen im Rahmen der Bilanzkontrolle.
Erste Umsetzungserfahrungen
Eine PWC-Analyse von 23 führenden europäischen Finanzinstituten aus April 2025 zeigt: Fast alle Unternehmen berichten bereits vollständig nach ESRS, nutzen aber Übergangsbestimmungen. Die Berichterstattung umfasst insbesondere die Standards E1 (Klimawandel), S1 (Arbeitskräfte des Unternehmens) und G1 (Unternehmensführung).
Herausforderungen in der Praxis: Die größten Schwierigkeiten liegen in der Wesentlichkeitsanalyse und der Einbeziehung von Stakeholdern. Insbesondere der Umfang und die Tiefe der Erläuterungen zur Stakeholder-Einbeziehung variieren stark zwischen den analysierten Unternehmen.
Social Asset Ratio: Die nächste regulatorische Welle
EU-weit werden die Offenlegungspflichten kontinuierlich verschärft. Neben der GAR ist die Social Asset Ratio (SAR) in Diskussion, die den Anteil sozialer Finanzierungen messen soll. Diese Kennzahl wird voraussichtlich ab 2026 eingeführt und umfasst Bereiche wie Sozialwohnungsbau, Bildungsfinanzierung und KMU-Kredite mit sozialer Wirkung.
Strategische Bedeutung: Die SAR könnte für deutsche Banken deutlich vorteilhafter ausfallen als die GAR, da viele Institute traditionell stark im Bereich sozialer Finanzierungen engagiert sind. Sparkassen und Genossenschaftsbanken könnten hier ihre regionalen Stärken ausspielen.
Marktdaten und Branchentrends 2025
Nachhaltige Finanzierungsvolumen
Deutsche Banken haben ihre nachhaltigen Finanzierungsvolumen 2024 weiter ausgebaut. Die Deutsche Bank erreichte beispielsweise kumulativ seit 2020 ein Volumen von 322 Milliarden Euro an nachhaltigen Finanzierungen und ESG-Investitionen. Besonders stark wuchsen Immobilienfinanzierungen und Unternehmenskredite mit ESG-Komponenten.
Emissionsreduktion: Die finanzierten Scope-1- und Scope-2-Emissionen von Kunden in kohlenstoffintensiven Sektoren sanken bei großen deutschen Banken um durchschnittlich 5 Prozentpunkte, die Scope-3-Emissionen um 4 Prozentpunkte gegenüber 2023.
Regulatorische Megathemen 2025
Finanzstabilität (CRR III), Nachhaltigkeit (CSRD), Digitalisierung (FiDA, AI Act), betriebliche Widerstandsfähigkeit (DORA) und Geldwäscheprävention (AMLA) bleiben die zentralen Regulierungsthemen. Hinzu kommt die notwendige Überprüfung geopolitischer Risiken auf die Risikosituation einzelner Institute.
Mittelfristige Entwicklungen
Ab 2026 müssen auch mittelgroße Institute umfassend ESG-Daten bereitstellen. Die Finanzaufsicht wird bei Nichterfüllung der Erwartungen deutlich weniger tolerant sein. Institute ohne etablierte ESG-Prozesse geraten unter enormen Zeitdruck.
Investmentstrategien: Nachhaltige Anleger sollten ihr Portfolio bereits jetzt auf die kommenden Anforderungen ausrichten. Institute mit proaktiver ESG-Strategie werden sich langfristige Wettbewerbsvorteile sichern, während Nachzügler mit Compliance-Kosten und Reputationsrisiken kämpfen müssen.
Fazit
Die Rückschritte beim Nachhaltigkeitsrating beziehungsweise der Umweltperformance deutscher Banken sind kein vorübergehendes Phänomen, sondern ein Weckruf für die gesamte Branche. Sie signalisieren, dass solide ESG-Strategien erst durch systematische Datenerhebung und transparente Berichterstattung Glaubwürdigkeit gewinnen. Die aktuellen GAR-Probleme zeigen exemplarisch, wie regulatorische Anforderungen an der praktischen Umsetzung scheitern können.
Gleichzeitig eröffnet die CSRD-Einführung eine historische Chance für proaktive Institute. Banken, die jetzt in transparente, vollständige Nachhaltigkeitsberichterstattung investieren, schaffen nicht nur Regulatory Compliance, sondern echte Wettbewerbsvorteile. Die Pioniere wie Helaba, Haspa und Sparkasse Tübingen zeigen den Weg vor.
Für nachhaltig orientierte Anleger bedeutet das eine klare Handlungsanweisung: Bestehen Sie auf belastbaren Zahlen, fördern Sie Institute mit vorbildlicher Berichterstattung und nutzen Sie die neuen CSRD-Standards als Qualitätssiegel. Nur durch konsequente Nachfrage nach Transparenz kann Kapital echte ökologische und soziale Transformation beflügeln. Die Weichen für diese Entwicklung werden 2025 gestellt – wer jetzt die richtigen Entscheidungen trifft, profitiert langfristig von der nachhaltigen Transformation des Bankensektors.
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.